Die Anruferin, angekündigt als Frauenfilm und Psychodrama, lässt das von teuren Spezialeffekten und überdrehten Handlungssträngen abgestumpfte Auge zunächst auf wenig Zerstreuung hoffen. Mit langsamen Bildfolgen und wenig Dialog ziehen die ersten Filmminuten am Betrachter vorbei, und die Hand tastet im Dunkeln schon nach der imaginären Fernbedienung.
Doch dann greift die Hauptdarstellerin Valerie Koch zum ersten Mal zum Telefonhörer, und lässt aus Irm Krischka, einer unwirschen, strapazierten 30jährigen Wäschereiangestellten, innerhalb eines Augenblicks ein kleines, unschuldiges Mädchen werden. Per Telefon verwickelt sie wildfremde Menschen in ein groteskes Rollenspiel, in dem sie sich als einsames, verängstigtes Kind ausgibt. Sie weckt dadurch sofort die Sympathie ihrer Opfer und verwickelt sie über mehrere Anrufe hinweg in eine sehr emotionale Beziehung, bei der sie bei Bedarf auch als Mutter des vermeintlichen Kindes auftritt, und so die Illusion perfekt macht. Meist lässt sie ihr Spielchen mit dem Tod des erfundenen Kindes gipfeln, und bittet ihre Gesprächspartner zum Begräbnis zu kommen - welches freilich nie stattfindet, und die hintergangene Person mit ratlosem Gesicht auf einem leeren Friedhof zurücklässt. Dieses immer gleiche Muster soll erst einen Wandel erfahren, als sie an die von Esther Schweins gespielte Sina gerät, mit der sie erstmals beginnt, eine reale Freundschaft aufzubauen.
Ausgehend von einer realen Begebenheit zeichnet Drehbuchautorin Vera Kissel das faszinierende Portrait einer jungen Frau, die durch die Unfähigkeit, mit der Pflege ihrer todkranken Mutter und dem Trauma einer im Kindesalter verlorenen Schwester fertig zu werden, die sehr außergewöhnliche, schockierende, aber auch fast nachvollziehbare Sucht entwickelt, sich in andere Personen zu verwandeln, um sich die Zuneigung und Aufmerksamkeit zu ergaunern, die ihr von anderer Seite verwehrt bleibt.
Selbst wem die Thematik des Films auf den ersten Blick nicht zusagt, sollte sich die herausragende schauspielerische Leistung von Valerie Koch nicht entgehen lassen, die dermaßen mühelos und überzeugend zwischen der erwachsenen und der kindlichen Rolle hin- und herspringt, dass einem mitunter fast das Gruseln kommt.
Enttäuschend an jenem Kino-Premierenabend war lediglich das Mannheimer Journalistenpublikum, das sich angesichts der Anwesenheit von Regisseur Felix Randau, Hauptdarstellerin Valerie Koch und Drehbuchautorin Vera Kissel nicht einmal aus Höflichkeit zu viel mehr als ein oder zwei relativen schwachen Fragen hinreißen ließ.
Ein Film dieser Klasse hätte bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt!
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