Frederik Feinermann (Fabian Hinrichs) ist ein erfolgreicher junger Bankangestellter, sein Leben, zwischen Großraumbüro und Designerwohnung, verläuft geradlinig und vorhersehbar.
An einem normalen Arbeitstag muss Frederik seinem Kunden einen Kredit kündigen. Dieser zückt eine Pistole und begeht ohne große Worte vor Frederiks Augen Selbstmord. Mit dem Tod bricht unvermittelt Unordnung in Frederiks geordnetes Leben ein. Dabei wird klar, dass der seine kontrollierte Haltung und geordnetes Leben nur das Ergebnis rigoroser Selbstkonditionierung war.
Schockiert wendet sich Frederik innerlich von seinem bisherigen Leben ab und beginnt bei seinem alten Bandkollegen und Ex-Knacki Vince (Jürgen Vogel) eine Ausbildung der besonderen Art. Er will Profi-Gangster werden. Vince und Frederik starten eine systematische Einbruchsreihe in Häuser betuchter Bankkunden.
Doch die beiden könnten verschiedener nicht sein: Während der Eine den besonderen Kick sucht und aus seinem spießigen Leben ausbrechen will, versucht Vince das Leben nach seinem Gefängnisaufenthalt wieder auf die Reihe zu kriegen und steckt das erbeutete Geld in seinen Traum: eine Kneipe.
Frederik dagegen hat nur einen Wunsch: mit seiner Ex-Freundin Nadine nach Estland fahren.
Allerdings scheinen beide Träume unrealistisch. Vince Kneipe gleicht einer Bruchbude und Nadine hat einen Freund und will absolut nichts von Frederik wissen.
Frederik kämpft gegen seine Schwerkraft an, die ihn sieben Jahre lang in ein bequemes, träges und langweiliges Leben gezogen hat.
Sein gegensätzliches Doppelleben wird durch starke Bilder und kontrastreiche Farben visualisiert. Frederiks Arbeits- und Wohnplatz, mit Neonlicht und in grau-blauen Nuancen, wirken unterkühlt, unpersönlich und krankmachend. Nachts, nach seinen Einbrüchen, dominieren Rottöne in stickigen und verrauchten Kneipen und laute Psychobilly-Klänge.
Regisseur und Drehbuchautor Maximilian Erlenwein und Schauspieler Fabian Hinrichs drehten schon 2005 gemeinsam einen Kurzfilm und wohnten zusammen in einer WG. Ausdrucksstark und glaubhaft präsentiert Hinrichs den Wandel eines biederen Angestellten zu einem anarchischen und selbstkritischen Einbrecher.
Auch Jürgen Vogel, der Vince Holland spielt, ist eine Idealbesetzung. Glaubhaft mimt er den wortkargen Einzelgänger, der der Magie des schnellen Geldes verfällt und an seiner Knastvergangenheit zerbricht, nicht zuletzt, weil die konventionelle Arbeitswelt ihm keine Chance gibt.
Auffällig ist der Erzählstil des Films. In den ersten paar Minuten, der Exposition des Films, werden die Hauptpersonen vorgestellt und mögliche Konflikte und Probleme angedeutet. Der Zuschauer ist sofort mitten im Geschehen und wird Zeuge eines prägnanten Wendepunktes in Frederiks Leben.
Dies kennzeichnet Erlenweins Stil, für ihn ist eine ökonomische Erzählweise wichtig. Lieber lässt er den Zuschauer selbst Zusammenhänge erkennen und Handlungslücken füllen, als in einen trägen und erklärenden Stil zu verfallen. Er konfrontiert seine Figuren immer wieder mit neuen Wendungen und unerwarteten Ereignissen. Diese machen den Film schlichtweg spannend.
Bemerkenswert ist auch die Dynamik des Films. Nach einer durchzechten Nacht von Vince und Frederik mit rasanten Kamerafahrten und schnellen Schnitten, folgt ein konstruiertes Stillleben mit farblichen Gegensätzen und einer ruhigen Kameraführung.
Nicht zuletzt darf die Filmmusik erwähnt werden. Erlenwein wollte seinem Film eine besondere Note geben. Jakob Ilja, der Gitarrist von Element of Crime, komponierte daraufhin 17 melodische Psychobilly-Songs, die den Film stimmig abrunden.
Bereits vor dem offiziellen Kinostart wurde Schwerkraft letztes Jahr mit dem First Steps Award, dem deutschen Nachwuchspreis, für den Besten Abendfüllenden Spielfilm ausgezeichnet. Im Januar bekam der Film den Max Ophüls Preis. Schwerkraft hat außerdem Aussicht auf noch eine Auszeichnung: Fabian Hinrichs ist für den Deutschen Filmpreis 2010 nominiert.
Lakonisch und sarkastisch thematisiert Erlenwein in seinem Film die vieldiskutierte Frage nach dem Sinn und Unsinn des Lebens und fordert den Zuschauer auf, seinen Alltag und seine Wünsche zu hinterfragen. Schwerkraft überzeugt mit dichter, facettenreicher Handlung, ausdrucksstarken, teils surrealen Bildern und komplexe Figuren, die von einer bemerkenswerten Besetzung eindrucksvoll umgesetzt werden.
"Schwerkraft" ist ab dem 25.03. in den Kinos zu sehen. Hier ein kleiner Vorgeschmack.
Weitere Infos auf
www.kinos-in-mannheim.de