Ein Glück sitz ich nicht in der ersten Reihe, dachte sich wahrscheinlich der ein oder andere, als Moderator der Show Helmut Sanftenschneider ziemlich entschlossen die Bühne verlässt um mit dem Publikum auf Tuchfühlung zu gehen. Doch zu früh gefreut. Der Entertainer, der voll engagiert durch den Abend führt, lässt es sich nicht nehmen und fordert gerade die in den hinteren Reihen zu einem Luftgitarrencontest auf. Widerstand zwecklos. Der Rest, der verschont wurde kann durchatmen. Aber nicht lange. Denn zum Luftholen zwischen den Gags kam man während der zweistündigen Veranstaltung nur selten.
Einer, der insgesamt drei Gastcomedians war Nils Heinrich. Und der stellte eines gleich mal klar. Ein Kartoffelfetischist sei er nicht, lediglich ein Kartoffelfreund. Das ist ja durchaus ein Unterschied. Doch wenn man beim Essen gehen in der neuen Heimat, wo man hingezogen worden ist nicht mal einfache Salzkartoffeln bekommt, kann dem ehemaligen Ossi schon mal der Geduldsfaden reißen.
Nein, wie ein Freund der Kehrwochenhauptsstadt Stuttgart scheint er nicht. Er hat es aber auch nicht leicht dort, mit den lästigen Spätzle, die aussehen wie kleine dicke tote Maden. Und mit den Maultaschen, die lediglich gefüllte Spätzle sind, kommt er auch nicht klar. Da erinnert er sich lieber an die gute alte Zeit im Osten, in der man unliebsame Pickel noch mit Kukident weggeätzt hat.
Scheinbare Banalitäten erzählt Heinrich mit so viel Humor, Engagement und Liebe zum Detail, dass er mit seiner Lästerei über den Biofraß in Stuttgart schon fast Mitleid erregt, dieser
Kartoffelfreund, der nicht nur Comedian sondern ebenso begnadeter Musiker ist.
Nicht wegen ihrer Musik, aber wegen ihrem überaus ausgeprägten Gefühl für Alltagskomik steht Lisa Feller an diesem Abend auf der Bühne. Die kenn ich doch, wird sich der ein oder andere sagen, wenn sie die Bühne betritt. Richtig und zwar von weitaus größeren Bühnen, wie der Schillerstraße oder dem Quatsch Comedy Club. Auf dem Boden geblieben ist sie trotzdem. Die Lacher der Zuschauer im bootshaus hat sie auf ihrer Seite.
Jeder kann sich in ihre Alltagsbeschreibungen hineinversetzen. Denn dass der Spieleabend mit Freund, dem seiner Ex und der eigenen Freundin, die ersterer für einen Dreier in Betracht zieht, nur in einem Desaster enden kann ist klar. Feller schildert solche Situationen mit so viel Witz, Charme und Intelligenz, dass sich jeder diese Beziehungskuriositäten bildlich vorstellen kann.
Keirut Wenzel schildert dagegen Zukunftsszenarien, in denen die Menschheit überaltert und man als 80-jähriger Rentner im Bus keinerlei Anspruch mehr auf einen Sitzplatz hat, weil man ein junger Hüpfer sei. Der fast zwei Meter große Komiker unterhält mit vollem Körpereinsatz, der ein verstecktes Bewegungstalent vermuten lässt. Kein Wunder, er war ja auch im Tanzkurs. Früher einmal. Die Erinnerungen daran: Eher niederschmetternd, wenn man das auserkorene Opfer von Tanzlehrer Wolfgang war und nie zur Damenwahl, sondern zur Buckelwahl geschickt wurde. Mittlerweile lacht man nicht mehr über ihn sondern mit ihm.
Aber nicht nur mit ihm. Zwischen den Auftritten taucht auch er immer wieder auf, der Spanier aus Herne. Nicht nur mit seiner Lobeshymne an seine Heimatstadt, sorgt Helmut Sanftenschneider für flüssige Übergänge zwischen den einzelnen Comedians und kann sich dabei durchaus mit seinen Kollegen messen.
Immer auf Du und Du mit seinem Publikum. Da wird schon mal eine Tüte Popcorn durch die Menge gereicht. Als er am Ende ausgerechnet aus dieser seine verlorene Socke zieht, sind es diejenigen, die aufatmen, die nicht herzhaft hineingegriffen hatten.
Aber so unmenschlich gehts dann doch wieder nicht zu und das seit 39 Jahren glücklich verheiratete Paar im Publikum bekommt ihn am Ende doch noch, den vorenthaltenen Sekt. Großzügiger weise für jeden sogar ein eigenes Glas.
Und so war es für alle Beteiligten ein rundum gelungener, witziger und abwechslungsreicher Abend.
Plus Zugabe. Die ließen sich die Comedians nicht nehmen.