Ob Fan oder nicht, es ist erstmal schön zu sehen, dass Menschen, die beinahe im Sumpf (in diesem Fall aus Drogen, Wahn und Alkohol) untergingen, die Kurve zurück in ein scheinbar funktionierendes Leben kriegen.
Was Britney mehr schlecht als recht und Amy Winehouse gar nicht gelingen will, hat Robbie Williams scheinbar geschafft - frischer Look, ein paar Pfunde weniger, ein geregeltes Privatleben und die Rückkehr auf die Bühne.
Letzterem gilt der heutige Fokus, denn am gestrigen Dienstag Abend betrat Robbie Williams nach drei bitteren, nahezu musikfreien Jahren wieder eine Bühne unter der Aufmerksamkeit einer nicht unbeträchtlichen Öffentlichkeit.
Das Setup ist zwar neu, aber trotzdem schnell erklärt. Robbie Williams spielte gestern ein Live-Konzert im Londoner Roundhouse, dass europaweit in 200 Kinos in High-Definition zeitgleich ausgestrahlt wurde.
Das Mannheimer CineMaxX war hiesiger Ort des Geschehens mit zwei Sälen, die beide bis auf die ersten Reihen voll bestzt waren.
Summiert man das mal schnell, kommt man auf eine europaweite Zuschauermenge von locker 40.000 Menschen, plus den im Roundhouse anwesenden Gästen.
Dass Robbie Williams dieses Format gewählt hat, wurde in den letzten Wochen vor allem damit begründet, dass er sich nach den mitunter selbstzerstörerischen Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit den Belastungen großer Konzerte oder gar eine Tour (noch) nicht gewachsen sieht. Ob das die realen Beweggründe sind, oder aber der sanfte Druck der BBC im Hintergrund, im Rahmen derer Reihe "Electric Proms" Robbie Williams gestern das Konzert spielte, lässt sich an dieser Stelle nicht klären - es spielt aber auch keine Rolle.
Mit der Absicht, sein in Deutschland am 6. November erscheinendes Studio-Album "Reality killed the Video Star" zu präsentieren, betrat Robbie Williams in London gestern eine Bühne, die von Beginn an verdeutlichte, dass der Mann derzeit kleinere Brötchen bäckt. Das monumentale Bühnenbild vergangener Konzerte ist einer für seine Verhältnisse fast beschaulichen Bühne gewichen. Natürlich ist "beschaulich" in diesem Zusammenhang ein relativer Begriff, denn wie beschaulich kann eine Bühne sein, die insgesamt 38 Musikern gestern Abend ein zuhause bot.
Und es ist ja auch nicht die erste Albumpräsentation dieser Art - auch sein erfolgreichstes Album, Escapology, präsentierte Robbie Williams damals in einem durchaus illustren Kreis in den Londoner Pinewood Studios auf einer wirklich winzigen Rundbühne.
Kein großes Tamtam also, kein Kopf-über-abseilen, keine aus-dem-Boden-fahren und keine Pyrotechnik.
Musikalisch ist die Richtung mal wieder neu, aber im Vergleich zu den letzten Langspielern durchaus erfreulich. Die energetische erste Single "Bodies" läuft seit Wochen auf allen Kanälen, die zweite Single steht kurz vor der Auskopplung.
Die ersten Songs von Robbies neuem Album gestern Abend waren eher ruhigerer Natur, was sich (man ist geneigt zu sagen leider) durch einen Großteil des neuen Albums zieht. Das gestrige Live-Arrangement dieser Titel war aber musikalisch derart hochwertig, dass man sich auf die Studioversionen nur mäßig freuen kann.
Im zweiten Teil des Konzerts zog das Tempo merklich an, und man konnte einen ersten Eindruck der Tracks gewinnen, die als tanzbar zu bezeichnen sind - in aller erster Linie "Do You Mind", allerdings nicht die beste Nummer auf der Platte. Wirklichen Spaß machen vor allem das an "Something Beautiful" erinnernde "Wont Do That" (widmete Robbie Williams seiner neuen Freundin) und die nächste Singe "You know me", beide Somgs sind mit einer gewissen Eingängigkeit gesegnet, die manchen Tracks auf "Reality killed the Video Star" etwas abgeht.
Auffällig an Robbies Comeback-Album ist das Spiel mit verschiedenen Stilen und Elementen - vom klassischen Discobeat (Starstruck) über obligatorische Balladen (Deceptacon) bis hin zu Rockabilly-Anflügen (Wont Do That) ist alles dabei. Ob sich das am Ende zu einer homgenen Einheit fügt, wird erst das komplette Hören des Albums und der individuelle Geschmack entscheiden.
Über jeden Zweifel erhaben, auch am gestrigen Abend, sind Robbies, wie er sie selbst nennt "Oldies" und seine Bühnenpräsenz. Das lockere Spiel mit dem Publikum und seinen Songs liegt ihm im Blut, das kann man wohl auch in noch so tiefen Tälern nicht verlernen, und was wäre ein Robbie-Williams-Konzert ohne Songs wie "Feel", "Angels", "Surpreme" oder die bittersüße Take-That-Hommage "No Regrets".
Alles in allem ein Konzertabend, der deutlich die Musik und deren hochwertiges Arrangement in den Vordergrund stellte, was als gelungen bezeichnet werden darf, auch wenn den neuen Songs die Superhitqualitäten nahezu jeden Tracks von bspw. Escapology fehlen.
Das ungewohnte Szenario des Musikgenusses im Kinosaal erwies sich ja schon bei der Premiere der Übertragungen der Opern aus New York als stimmiges Ensemble, und auch als erweiterter Konzertsaal taugt das Lichtspielhaus wirklich uneingeschränkt. Hochauflösende Bilder in einem Format, dass konkurrenzlos ist, dazu eine überragende Tonqualität - das Kino als Konzerterlebnis - ein Modell mit Zukunft, ohne Frage.
Robbie Williams ist wieder da, eine Spur bescheidener, weniger lautstark und scheinbar gesettled - für Fans und Freunde sicher eine Freude - denn einer der größten Entertainer ist Robbie Williams nach wie vor - good to have you back!